Enzym mit überraschender Doppelfunktion

Studie der Uni Bonn: Protein katalysiert wichtigen Stoffwechselschritt – und reguliert zusätzlich Genaktivität

Im Labor (von links): Franka Eckardt, Dr. Reinhard Bauer, Melanie Thielisch und Mariangela Sociale vom LIMES-Institut (Life & Medical Sciences) der Universität Bonn. © Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn

Wissenschaftler der Universität Bonn haben eine überraschende Doppelfunktion der Ceramid-Synthase aufgeklärt. Demnach katalysiert das Enzym nicht nur einen zentralen Schritt bei der Herstellung lebenswichtiger Lipide. Es besitzt zusätzlich die Fähigkeit, Gene des Fettstoffwechsels an- oder abzuschalten. Die Studie erscheint in der renommierten Fachzeitschrift „Cell Reports“.

Ceramid-Synthasen verknüpfen Fettsäuren mit bestimmten Aminosäuren zu so genannten Ceramiden. Diese übernehmen im Organismus eine Reihe lebenswichtiger Aufgaben. Ihre Bedeutung ist so zentral, dass sich die Enzyme, die sie herstellen, in vielen Millionen Jahren der Evolution kaum verändert haben. So ähnelt etwa die Ceramid-Synthase der Taufliege Drosophila stark der des Menschen. Im Unterschied zu dem nur wenige Millimeter kleinen Insekt verfügen wir allerdings über sechs verschiedene Varianten des Enzyms.

Dennoch eignet sich die Taufliege hervorragend, um die Ceramid-Synthase zu studieren. Möglicherweise liefert das Insekt nun sogar die Antwort auf eine Frage, die Molekularbiologen schon seit einiger Zeit umtreibt. Die meisten Ceramid-Synthasen verfügen nämlich nicht nur über eine Region, mit der sie die Fettsäure an die Aminosäure binden: „Außer diesem katalytischen Zentrum gibt es bei der Ceramid-Synthase oft zusätzlich noch eine so genannte Homöo-Domäne“, erklärt Dr. Reinhard Bauer, Privatdozent am LIMES-Institut der Universität Bonn.

Homöo-Domänen sind Protein-Bereiche, die üblicherweise dazu da sind, DNA zu binden. Man findet sie vor allem in Transkriptionsfaktoren. Das sind Proteine, die sich an die DNA heften und so zum Beispiel verhindern können, dass bestimmte Gene abgelesen werden. Von Ceramid-Synthasen glaubte man aber bislang, dass sie gar nicht mit DNA in Kontakt kämen. Wozu aber dann die Homöo-Domäne?

Ceramid-Synthase schaltet Gene des Fettstoffwechsels ab

„Wir konnten zeigen, dass die Ceramid-Synthase in Taufliegen auch in der Innenmembran des Zellkerns verankert ist“, erläutert Mariangela Sociale, die Erstautorin der Studie. Der Zellkern fungiert bei allen Tieren als eine Art Bibliothek, die die DNA und somit die Erbinformationen enthält. In ihm werden Abschriften der Gene erstellt, die die Zelle momentan benötigt. „Die Ceramid-Synthase kann hier an bestimmte Abschnitte der DNA binden und so bestimmte Gene abschalten“, sagt Sociale.

Das macht die Synthase aber nicht willkürlich, sondern in Abhängigkeit vom Ernährungszustand der Fliege. Wenn diese hungert, löst die Ceramid-Synthase nämlich ihren Klammergriff. Als Folge kann nun unter anderem das Gen für die Lipase 3 abgelesen werden. Lipase 3 zerlegt Fett in seine Bestandteile, die dann zur Energiegewinnung eingesetzt werden können. Bei ausreichend Futter bleibt das Gen für die Lipase 3 dagegen blockiert. Fett wird nicht abgebaut, sondern als Energiespeicher für schlechtere Zeiten in spezialisierten Depotzellen eingelagert. „Die Ceramid-Synthase übernimmt demnach eine wichtige Steuerfunktion im Fettstoffwechsel“, betont Bauer.

Bereits vor einigen Jahren haben die Wissenschaftler vom LIMES-Institut eine Mutation gefunden, durch die Taufliegen abmagern. Folgerichtig tauften die Forscher die genetische Veränderung auf den Namen „Schlank“. „Wir wissen inzwischen, dass eine Mutation innerhalb der Homöo-Domäne zu diesem Schlank-Phänotyp führen kann“, erklärt Bauer. „Das Enzym kann dadurch nicht mehr an die DNA binden.“ Als Folge bildet die Fliege auch unter guten Ernährungsbedingungen ständig Lipase 3. Sie kann also kein Fett-Depot aufbauen.

Interessanterweise verschwindet dieser Effekt, wenn die Forscher in die Schlank-Fliegen ein intaktes Ceramid-Synthase-Gen der Maus einfügen. „Das Maus-Gen kann in der Fliege also augenscheinlich ebenfalls die Aktivität der Lipase regulieren“, erläutert Dr. Bauer. „Und zwar abhängig vom Ernährungsstatus. Das spricht dafür, dass die Homöo-Domäne in Säugetieren und vermutlich auch beim Menschen eine ähnliche Funktion übernimmt wie bei Drosophila.“

Möglicherweise ist die Ceramid-Synthase also generell eine zentrale Schaltzentrale im Fettstoffwechsel. Damit wäre die Homöo-Domäne ein viel versprechender neuer Ansatzpunkt für Medikamente, etwa gegen Fettleibigkeit oder Diabetes. Auch bei anderen Erkrankungen wie dem seltenen unheilbaren Zellweger-Syndrom könnte die Transkriptionsfaktor-Funktion der Synthasen eine Rolle spielen.

Publikation: Mariangela Sociale, Anna-Lena Wulf, Bernadette Breiden, Kathrin Klee, Melanie Thielisch, Franka Eckardt, Julia Sellin, Margret H. Bülow, Sinah Löbbert, Nadine Weinstock, André Voelzmann, Joachim Schultze, Konrad Sandhoff und Reinhard Bauer: Ceramide Synthase Schlank Is a Transcriptional Regulator Adapting Gene Expression to Energy Requirements; Cell Reports 22, S. 1–12, 23. Januar 2018; DOI: 10.1016/j.celrep.2017.12.090

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PD Dr. Reinhard Bauer 
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